Was der Sattel mit Sehnen zu tun hat?

Vielen Reitern ist oft nicht bewusst, dass ein passender Sattel nicht nur ausschlaggebend für die Rückenmuskulatur des Pferdes ist, sondern auch für die Gesundheit der Sehnen und Hufe.

Das Pferd, als Lauf- und Fluchttier geboren, ist nicht dafür ausgelegt uns Menschlein plus komischen „Rucksack“ zu tragen. Ein Pferd besteht aus über 240 Knochen, doppelt so vielen Gelenken, gelenkigen Verbindungen und unzähligen Muskeln, Sehnen und Bändern. Alles ist miteinander verknüpft. Wie in einem Uhrwerk greifen alle Zahnräder ineinander.

Ein Sattel besteht aus vielen Teilen, wichtig für die Passform sind das Kopfeisen (Ortweite/ Kammerweite/ Form), Baumform (Schwung/wenig Schwung) und die Form und Art der Kissen (Bananenkissen, franz. Kissen, Keilkissen etc.)

Zum Liegen kommt der Sattel meist hinter dem Schulterblatt, dort liegt er direkt auf der Rückenmuskulatur auf.

Die wichtigsten Rückenmuskeln in diesem Bereich sind unter anderem:

Muskulus longisimus dorsi thoracis – langer Rückenmuskel
Strecken der Wirbelsäule, Kraftübertragung der Hinterbeine nach vorne
Muskulus latissimus dorsi – breiter Rückenmuskel
Rückführen des Vorderbeins, Vorschieben des Rumpfes
Muskulus trapezius – Trapezmuskel
Vorführen des Vorderbeins

Kommt es im Bereich dieser Muskelverläufe zu Quetschungen (zu enge oder auch zu weite Kammerweite) oder zu Druckspitzen (falsche/zu harte Polsterung der Kissen) kann sich dies auf die Funktionalität der Muskeln auswirken. –> Der Rücken spannt gegen, wird hart und drück sich weg. –> Kraftübertragung von hinten nach vorne nicht mehr möglich. –> Vorhandlastigkeit

Folgen hier von sind vielfältig:

  • Empfindlichkeiten im Rücken
  • Atrophien der Muskulatur (Kuhlen/Eindellungen oder Muskulatur, meist direkt hinter der Schulter – hier ist entgegen dem Irrglaube NICHT nur der Trapezmuskel beteiligt. Sind sichtbare Kuhlen vorhanden sind bereits alle hier gezeigten Muskeln betroffen und in diesem Bereich zurückgebildet.)
  • Verhärtungen oder auch harte Knubbel in der Sattellage

Die Muskulatur kann nicht richtig arbeiten. Andere Muskelbereiche müssen dies ausgleichen und werden mit der Zeit überbeansprucht.

Beispielsweise der M. serratus ventralis. Als wichtigster Rumpfträger arbeitet er entgegen der Rückenmuskulatur. Wird der Rücken weggedrückt, steht dieser Muskel unter Spannung. Ähnlich einer Hängematte in der ein sehr schwerer Mensch liegt, werden die „Flügel“ des Muskels gespannt.

Muskulus serratus ventralis – unterer Sägemuskel
Halsheber, wichtigster Rumpfträger

Über die Schultermuskulatur wird die zunehmende Spannung übertragen. Jede Schicht für sich muss ihren Beitrag zahlen. Um den Vergleich mit dem Uhrwerk noch einmal aufzugreifen: Blockiert ein Zahnrad, blockieren nach und nach auch andere.

Muskulus triceps brachii – Dreiköpfiger Oberarmmuskel
Strecker des Ellenbogens

Der Triceps sowie der Deltamuskel und noch einige andere Muskeln der Schulterpartie verspannen. Der Kreislauf hat sich schon so weit fort gesetzt, dass sich der Raumgriff des Pferdes schon stark vermindert haben sollte. Vorhandlastigkeit, blockierte oder ungenügende Biegung, Mauligkeiten oder Verspannungen der Halsmuskulatur als nur einige der Folgen, da natürlich auch hier direkte muskuläre Verbindungen von Schulterblatt und Schultergelenk zum Hals, Genick und Kiefergelenk bestehen.

Nach unten setzt die Kette sich in zwei wichtige Muskeln weiter. Der M. flexor digitalis superficialis (oberflächlicher Zehenbeuger) und der M. flexor digitalis profundus (tiefer Zehenbeuger) oder auch anders bekannt – Oberflächliche und Tiefe Beugesehne!

Muskulus flexor digitalis superficialis – Oberflächliche Beugesehne
Beugen des Karpal-/Fessel-/Krongelenks
Muskulus flexor digitalis profundus – Tiefe Beugesehne
Beugen des Karpal-/Fessel-/Kron- und Hufgelenks

Die Sehnen geraten unter Zug, da die Spannung der oben liegenden Muskeln übertragen wird und das Pferd mehr und mehr zusätzliche Last mit der Vorhand abfangen muss. Schonhaltung inklusive.

Sehnenreizungen, Entzündungen, Einrisse, Verkalkungen, Ödeme und Gallen sind oftmals KEINE Erkrankungen die über Nacht plötzlich da sind, (Unfälle natürlich ausgenommen) sondern über Monate bis Jahre hinweg erarbeitet werden.

Es sind Erkrankungen des Bewegungsapparates, die nur als Symptom einer anderen Krankheitsursache auftreten. Das kann sein, falsche Hufbearbeitung, Vorerkrankung, Reitweise, falsche Haltung auf der einen Seite aber auch ein ganz großer Punkt Ausrüstung, sprich Sattel auf der anderen Seite der Medaille.

Regelmäßige Kontrolle des Sattels sind daher wichtig. Einige Punkte kann man selbstständig erledigen:

  • Polsterung abfühlen – Sind Knubbel oder harte Stellen fühlbar? Ist die Polsterung auf beiden Seiten gleichmäßig? Ist das Polster zu hart geworden? —> Polsterung vom Sattler korrigieren oder gleich ganz erneuern lassen.
  • Passt der Schwung des Baumes zum Schwung meines Pferdes? Schau dir die Rückenlinie einmal genau an. Verläuft der Sattel entlang dieser Linie? —> Korrekturen vom Baum sind bei nur wenigen Sattelmodellen möglich.
  • Passt das Kopfeisen? Sattel leicht angurten und mit der flachen Hand vom Vorderzwiesel die Hand unter dem Sattel nach unten streichen. Kommt die Hand leicht hindurch oder muss ich sie durch quetschen? (Achtung: auch zu weite Kammerweiten drücken auf den Rücken!) —> Kontrolle mit passenden Messungen durch einen Sattler!

Jährliche Kontrolle der Sättel durch einen Sattler sollten fest eingeplant werden.

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